Reclaiming Ritualstruktur

Jedes Reclaiming Ritual besteht immer aus den nebenstehenden Elementen: 


1. Intention

Was wollen wir mit dem Ritual bezwecken.

2. Reinigung

Damit wird alles störende abgelegt.

3. Erdung

Schaffen einer stabilen Verbindung zwischen dem Unten, dem Oben und uns. 

4. Kreis ziehen

Er hält alle schlechten und negativen Einflüsse ab.

5. Einladung der 
    - Elemente,
    - Wesenheiten/ Krafttieren
   -  Vor- und Nachfahren
    - Götter

6. Ritual Hauptteil

Dieser kann aus einem oder mehreren Teilen bestehen.

7. Verabschiedung und Kreisauflösung

Was eingeladen wurde, möchte auch verabschiedet werden.


8. gemeinsame Zeit

gemeinsam Schmausen und sich unterhalten runden die Veranstaltung ab.

1. Intention


Ein oft einfach klingender, doch regelmäßig unterschätzter Ritualpunkt- der wörtliche Ausgangspunkt dessen, wonach sich der Hauptteil eines Rituals richtet.
Anders als in einigen "strengeren" Traditionen wird bei Reclaiming die Intention nicht von einer einzigen, feststehenden Hohepriester*in bestimmt. Die Intention wird in der Regel vom freiwillig Planenden vorformuliert, bei der gemeinsamen Ritualbesprechung angepasst und gegebenenfalls verfeinert, sodass jede Hexe  der Intention zustimmen kann- ein gerahmtes Gemeinschaftswerk, sozusagen.
Sie soll in möglichst kurzer und prägnanter Weise das Bestreben, die Absicht, des Rituals in Worte fassen- quasi das Ziel des Rituals formulieren, ein verbale Zentrum auf das sich die Energien richten können und sollen.
Klingt doch gar nicht so schwer, nicht? Und so extrem wichtig kann das ja nicht wirklich sein, nicht? 
Es gibt hierzu eine sehr nette Kurzgeschichte, um die Wichtigkeit der Ausrichtung ein wenig zu verdeutlichen: 
Ein Held geht in den Wald um eine Prinzessin zu Retten, die von einem Riesen festgehalten wird, die aber unbedingt wieder nach Hause und frei sein möchte.
Soweit, so klar: 
Prinzessin retten (= das Ritual) 
Bloß wie (=Intention) 
Unser Held kann nun entweder in den Wald stürmen, lauthals den großen Bihänder schwingen, Unterholz zu Zahnstochern häckseln, Tiere und Lebewesen aufschrecken, die Unterkunft des Riesen stürmen, ihn, wegen dem Lärm den er beim Stürmen mach, frisch von seinem Nachtlager erwacht, dahinmetzeln und blutüberströmt die wahrscheinlich dann noch verstörtere Prinzessin auf seiner Schulter nach Hause tragen (= Absicht: Töten/ Zerstören/ Wüten)
Oder er ist von der gewitzten Sorte und schleicht sich gut getarnt mit Gras und Moos auf seiner glitzerten Rüstung, barfuß oder mit leichtem Schuhwerk bekleidet, im Einklang und im Schutz mit seiner Umgebung in den Wald, wird eins mit dem Wald, beobachtet die Unterkunft des Riesen, und öffnet just im richtigen Moment, wenn der Riese ausser Haus ist, mit dem von ihm in der "Lauer- und Beobachtungszeit" geschnitzten Birkenzweig- Schlüssel das Prinzessinenverließ, und schleicht sich in die dem Riesen entgegengesetzte Richtung mit der holden Maid davon. (Absicht: Austricksen/ Überlisten/nur keinen unnötigen Stress)
Vielleicht aber ist er auch einfach ein moderner Held, der nichts davon hält wochenlang im Unterholz auszuharren um den richtigen Moment abzupassen: er marschiert mit Packpferd und tollen Tauschwaren beladen den Handelspfad in den Wald entlang um dem Riesen ein unschlagbares Angebot zu machen: "Du bekommst dies und jenes, und lässt dafür die Prinzessin gehen." (Absicht: Handeln/ Verhandeln)
In allen drei Varianten wird der Held wahrscheinlich die Prinzessin befreien- doch die Wege dorthin sind abhängig von seiner Absicht, seiner Intention.
Auf sie ausgerichtet werden die Energien im Ritual, winden sich die Spiralen nach oben, wandern wir die Treppen nach unten um gemeinsam Magie zu wirken.

2. Reinigung


Kennt ihr das auch? Obwohl ich in der Früh geduscht habe, lange und ausgiebig, und einen gar nicht so anstrengenden Tag gehabt habe, weder körperlich noch geistig, fühle ich mich Mittags bereits wieder "duschbereit"- irgendwie klebrig, schmutzig, beladen mit Dreck und Schmutz. Wenn ich das Glück habe nur bis Mittag im Dienst zu sein, und gleich nach dem Heimkommen duschen kann, wird es manchmal besser- manchmal aber auch nicht.
Weil es nicht immer der abwaschbare Schmutz ist, den ich an, und in mir fühle.
Gedanken, Stimmungen, Gefühle, Gerüche, Licht und Schatten, Lärm und alles dazwischen, Sichtbares und Unsichtbares stürmen den Tag über auf uns ein. An manchen Tagen stecken wir das besser weg, an anderen Tagen nicht; da zieht die Stimmung anderer unsere eigene hinunter, belasten die Gedanken, ausgesprochene oder auf den Gesichtern, an den Gesten, ablesbare unsere eigenen hinunter, stacheln uns auf, spornen uns an, machen uns hektisch oder müde...
Auch Taten, die eigenen oder die anderer, beeinflussen unser "Sauberkeitsempfinden", das innere wie das äußere. Und auch die Masken die jeder von uns für das soziale Umfeld da draußen trägt, tragen muss, möchte, kleben manchmal ungewollt länger an uns als uns bewusst ist, länger vielleicht auch als uns lieb ist. 
Im Ritualkreis aber sollst nur du stehen, dein Selbst, einfach nur Du, nur Ich. Keine anderen Gedanken sollen uns ablenken von dem auf das wir unsere Energien richten- keine störenden zumindest: keine Angst, Furcht, Unsicherheit, keine aufgezwungene oder angenommene Hektik, keine fremde Müdigkeit, keine "Arbeits- oder Firmenmaske", kein sozialer Status- nichts das dich stört soll dich im Ritual begleiten.
Wenn Trauer in dir ist, deine Trauer, Trauer in deinem Selbst ist, Müdigkeit oder Unsicherheit; oder Hektik, Überdrehtet, Freude und Gelächter, sind sie nicht störend, beeinträchtigen sie dein Präsent-Sein im Ritual nicht. 
Durch die Reinigung zu Beginn eines jeden Rituals soll alles für dich Störende abgelegt werden, für die Zeit des Rituals unwichtig und klein, belanglos werden. 
In Rauch und Luft, in Klängen und Vibrationen der Trommel, in Salz und Wasser sollen sie sich auflösen, dir abgenommen, von dir abgelegt werden, Energiezecken abgestriffen und Masken abgelegt werden.
Mit Trommeln oder Rasseln deren Töne und Schwingungen dich einhüllen, mit Räucherwerk dessen Duft und Knistern deine Sorgen und Belastungen in Rauch auflösen und mit dem Wind der Feder davongetragen, oder mit Wasser und Salz die alles auflösen und hinwegfließend lassen, reinigen wir uns symbolisch für unser Ritual, befreien unsere Energie und unser Selbst von dem was losgelassen werden soll- 
und treten dann gereinigt und frei in den Ritualkreis.

3. Erdung


Erden ist etwas sehr natürliches, jeder tut es im Laufe eines Tages fast schon unbewusst, um runter zu kommen, sich zu beruhigen.
Es bedeutet Wurzeln schlagen, sich mit der Erde verbinden, mit der Welt verankert sein im Hier und Jetzt. Nicht im Morgen oder Gestern oder im dem Jetzt vor 15 Minuten.
Wir erden uns um uns zu zentrieren, uns in unserer Mitte zu sammeln, die Energie der Erde auf der wir stehen und der Sterne über uns in uns zu sammeln, die Verbindung zu spüren zwischen dem Oben und dem Unten, das sich genau in uns trifft- genau im Hier und Jetzt. 
Bei einem Ritual erden wir uns immer zweimal:
einmal vor dem Ritual, gleich nach der Reinigung, um uns mit unserer Mutter Erde zu verbinden, um Wurzeln zu Schlagen, vielleicht einen Anker zu setzten;
und ein zweites Mal nach dem Ritual. 
Dieses zweite Erden nach dem Ritual, führen wir Reclaimer*innen mit dem gemeinsames Essen und Trinken nach der Öffnung des Kreises durch, in der gemeinsamen Zeit: Brot, Saft, Aufstriche und Apfelchips sind fester Bestandteil unseres gemeinsamen Schmausens nach getaner magischer Arbeit.
Grundsätzlich sollte man sich, auch als Solo Hexe, nach jeder magischen Arbeit erden: um Energie abfließen zu lassen, bei magischem Ungleichgewicht- und richtig durchgeführt beeinflusst das Erden Energien in der Regel positiv.
Im Alltag begegnet uns das Erden oft unerkannt: das tiefe Durchatmen und vielleicht begleitende  Augenschließen wenn man gerade auf Pause gegangen ist und sich im Pausenraum hinsetzt (Ausschnaufen), das Klatschen nach einem Seminar oder nach einer  Aufführung, der Kaffe am Vormittag, manchmal auch die "Zigarette danach" wie sie oft nach einem anstrengenden und nervenaufreibenden Meeting dringend benötigt wird (auch ein kleines Ritual im Alltag).
Es gibt viele Methoden um sich zu erden: meditieren, Atemübungen, Stern- und Erdenergie durch den Körper fließen lassen, Klatschen, Stampfen, mit den Fingern schnippen, Essen, etwas erdiges trinken...
Bei Reclaiming sieht die Erdung nicht zwangsweise immer gleich aus, doch natürlich gibt es auch bei uns bevorzugtere Methoden, die aber je nach Gruppe und Tagesverfassung/ Stimmung angepasst werden. 
Typisch, bzw. sehr häufig bedienen wir uns der "Baumerdung" in der wir die Erd-und die Sternenergie durch unseren Körper fließen lassen, aufgenommen und abgegeben durch unsere Wurzeln und Äste. Sie eignet sich meist sehr gut für uns modernen Menschen, die in der Regel mehr mit dem Kopf/ Geist, und weniger mit unserem Körper arbeiten (meistens, nicht immer ;) )
Einige Erdungs- "Grundarten" findest du bei den Grundübungen.

4. Schutzkreis ziehen


Stellen wir uns das große, weite, unendliche magische Universum vor- soweit wir das mit unseren zwar nicht schlechten, aber doch beschränkten Mitteln vermögen. Es sind unendliche Weiten... mit noch viel unendlicheren Wesenheiten darin. 
Wenn ich mich dazu entschließe ein Ritual zu feiern, wirke ich (im gewollten besten Falle) Magie - vergleichbar mit dem Anzünden eines Lichtes im unendlichen, großteils unbekannten, und - weil Licht nicht gleichzeitig überall sein kann- dunklen, magischen Universum. Und dieses Licht kann, salopp formuliert, so ziemlich Jeden anlocken. Und mit "Jeden" sind auch Wesenheiten gemeint, die ich vielleicht alleine nicht handeln kann, mit denen ich überfordert, denen ich nicht gewachsen bin; im schlimmsten Fall solche, die mit mir und meinem Umfeld für uns bösartigen Schabernack treiben, und sich einfach nicht mehr verabschieden wollen; die für mich nicht "richtige" Türen und Pforten öffnen, sich an mir festsaugen und anheften oder dergleichen. 
Das kann nicht im Sinne einer heilenden, positiv magischen Arbeit sein- das will ich nicht. 
Darum hülle ich mich, wenn ich zur Unterstützung meiner eigenen Magie Wesenheiten und deren Kräfte einlade, in einen mich völlig umgebenden, sicheren Schutzmantel. Es ist nicht bloß ein Kreis, gezeichnet und gezogen aus Mehl, Salz, Kerzen, Kraft oder sonstigen Hilfsmitteln, zweidimensional, einen Kegel nach oben und unten bildend- sondern eine Kugel, ein Schutzschild das mich völlig umschließt, in sich geschlossen ist. 
Nicht bei jeder magischen Tätigkeit ziehe ich einen Kreis; wenn ich meine Karten befrage oder meinem Apfelbaum beim Heilen mit einem kleinen Ritual helfe in dem ich mir sicher bin, brauche ich keinen Kreis zu ziehen. Wenn ich um die Hilfe anderer Mächte und Kräfte bitte, sie unterstützend hinzuziehe oder wenn ich mir unsicher bin, dann ziehe ich meinen "Mantel" an.  Es schadet nicht.
Es gibt keine richtige oder falsche Art einen ernstgemeinten Kreis zu ziehen- hier kommt es sehr auf die individuelle Hexe an, die ihn zieht. Bei Reclaiming ist es üblich, aber nicht in Stein gemeißelt, den Kreis dergestalt zu ziehen:
beginnend im Osten mit einem beschwörenden Pentagram, gezogen in der Luft mit der Athame oder den Zeigefingern, unterstützt mit den Worten: "Bei der Luft, die ihr Atem ist", zum Süden "bei den Feuern ihres lebendigen Geistes , zum Westen "bei den Wassern ihres fruchtbaren Schosses", zum Norden "bei der Erde die ihr Leib ist", zurück zum Osten, von da aus in die Mitte nach Oben: "bei allem was oben ist", runter auf den Boden: "und bei allem was unten ist", aufgerichtet in der Mitte stehend: "der Kreis ist geschlossen, wir/ ich sind/ bin zwischen den Welten, und was zwischen den Welten geschieht, kann alle Welten ändern". Alles Gesprochene wird mit einem beschwörenden Pentagram in die Luft gezeichnet, begleitet. 

5. Einladungen


Man möge mir verzeihen, und nachsichtig mit mir sein, sollte jemand durch den nachfolgenden Vergleich ein Herabwürdigen der magischen Arbeit herauslesen-  dies liegt mir (sehr) fern!
Doch wie bei jeder guten Party gilt auch bei Ritualen oftmals der Grundsatz: je mehr, desto besser, umso lustiger. Wie die Arbeit auf einer Baustelle die auf viele, viele auf dasselbe Ziel zusammenwirkende Menschen verteilt viel schneller und für die Einzelnen einfacher vonstatten geht, gestaltet sich das magische Wirken mit Unterstützung angenehmer, einfacher und manchmal sogar sicherer. Ich fühle mich sicherer wenn meine Vorfahren mit mir im Kreis stehen und mir ihre Kraft leihen oder den Kreis mithalten, fühle mich geborgener wenn mein Krafttier dabei ist, das auf mich aufpasst, fühle mich kraftvoller wenn die Göttin wohlwollend eine Priese ihrer Macht über mein Feuer streut.
Wenn ich mächtige Zauber webe ist es wie bei großen Felsbrocken den ich alleine kaum zu bewegen vermag: mit Unterstützung, mit mehr Händen, geht es leichter. Wenn ich kraftlos bin, ausgelaugt und unsicher, wenn ich Angst habe und Trost brauche ist immer wer da der mich auffängt, mich stärkt, mich tröstet und einen Rat weiß.
Darum laden wir, neben unserem eigenen Selbst und unserer Energie, zu unserem Vorhaben zur Unterstützung und Stärkung, Verbündete und Unterstützer*innen ein: 
  • die Elemente: Luft, Feuer, Wasser Erde, die Mitte/Äther
  • Wesenheiten und Krafttiere- Bewohner des Ortes, den Geist der Zeit und unsere ständigen persönlichen Begleiter
  • Vorfahren und Nachfahren- die die vor uns waren, und die, die nach uns sein werden;
  • Göttin und Gott - als Gottheiten an sich oder benannte Aspekte und Erscheinungen derselben, wie zB.: Inana, Tel, Brighid, Corunus, Odin, Loki ...
Eine Garantie gibt's natürlich nicht, doch wenn sie bereit sind vorbei zu kommen und Teil zu werden von unserem Ritual,  uns ihre Kraft und Fähigkeiten, ihren Schutz und Trost zu leihen, beizusteuern, vielleicht sogar Freude haben der Magie die wir kreieren, hat sich die Einladung allemal gelohnt ;)

6. Hauptteil*e


Alle Vorbereitungen sind vollbracht: Intention formuliert und intoniert, gereinigt, geerdet, Schutzkreis gezogen und "Verbündete"/ "Unterstützer*innen" eingeladen- der Hauptakt der magischen Arbeit beginnt. 
Und hier kann so ziemlich alles stattfinden/ passieren, was man überhaupt nur mit dem Ziel des Rituals, dem Zweck, der Intention in Verbindung bringen kann: 
meditieren, Trancen, Scyen, Orakeln, Singen, Tanzen, Schreiben, Zeichnen, Sprechen, Essen, Trinken, Schweigen, Lärmen, Liegen, Stehen, Gehen, Sitzen, Theater- und Rollenspiele, Prozessionen und, und, und.... 
Klingt absolut chaotisch und wirr, ich weiß. 
Doch auf genauso viele Arten wie Energie sich bewegen kann, genauso viele Formen des Bildes, Haltens, Aufbauen und Formen der Energie gibt es, die durch die unterschiedlichen (Un-) Tätigkeiten im Ritualhauptteil Ausdruck finden können.
Entspannende Atemübungen, meditatives Sinnieren, Schattenreisen, Trancereisen, Honig- Pantschen und Abfüllen, automatisches Schreiben, bei rhythmischen Trommelschlägen Ruhen, gemeinschaftliches Summen, Gruppen "Ohm's", ekstatisches blindes Tanzen, feurige Transformationen, leise Lichtkegel, Fertigung eines Talismans oder Amuletts, Perlenmagie, Sigillenerstellung, Invokationen oder ein sich aufladender Sprialtanz, und, und, und...-  zwischen den Welten gibt es nichts, das es nicht gibt.

Wie der jeweilige Hauptteil aussieht wird im Vorfeld von den freiwillig Planenden für das jeweilige Ritual abgestimmt und bei der vor jedem Ritual stattfindenden Ritualbesprechung gemeinsam gegebenenfalls angepasst und fixiert.